Seiten: 765
Verlag: btb
Ersterscheinung: 1998
ISBN: 9783442726684
Format: Taschenbuch
Preis: [A] 14,40 € | [D] 14,00 €
Originaltitel: Nejimaki-dori Kuronikuru
Originaltitel: Nejimaki-dori Kuronikuru
Genre: Roman; Spirituelles; Fantasievolles,
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Reinlesen? - Leseprobe
Mein Lesezeitraum: 16. Apr. - 3. Juni 2018 (= 39 Tage)
Darum Geht's
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Der Erste Satz
Toru Okadas Spitzname ist »Mister Aufziehvogel«,
denn er kommt sich vor wie ein Spielzeugvogel, der von wer weiß wem aufgezogen
wurde. Der verträumte Mann von 30 Jahren gibt seine Anstellung bei einer großen
Tokioter Anwaltskanzlei auf, um sich in Ruhe über einen Neuanfang klar zu
werden. Nach seinem Ausstieg aus der Alltagswelt tun sich ihm plötzlich
Wirklichkeiten auf, von denen er bisher nichts ahnte – erotische, ökonomische
und politische. Er begegnet einer kessen, intelligenten Sechzehnjährigen, einer
geheimnisvollen Wahrsagerin und deren Schwester und einem alten Offizier; und
alle schleppen sie ihre seltsamen Geschichten in Torus stilles Haus,
Geschichten, die sich als insgeheim miteinander verbunden erweisen. Selbst über
die eigene Ehe und seine scheinbar so treue Frau drängen sich dem Helden
daraufhin schwindelerregende Vermutungen auf. Und er erkennt, dass unterhalb
des Alltagslebens der Großstadtgesellschaft andere, geheime Kräfte wirken:
abgründige Begierden, die Historie mit ihren militärischen Untaten aus dem
japanisch-chinesischen Krieg und vielleicht sogar so etwas Altmodisches wie das
Schicksal.
Der Erste Satz
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Meine Meinung
Als das Telefon
klingelte, war ich in der Küche, wo ich einen Topf Spaghetti kochte und zu
einer UKW-Übertragung der Ouvertüre von Rossinis Die diebische Elster pfiff, was die ideale Musik zum Pastakochen
sein dürfte.
Meine Meinung
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Schräge Figuren in einer symbolträchtigen Geschichte
Mister Aufziehvogel habe
ich mit einer Bloggerkollegin in einer Leserunde gemeinsam gelesen. Für mich
war es das erste (und bestimmt nicht das letzte!!) Buch von Haruki Muramaki.
Schon während des Lesens habe ich mir zwei weitere Bücher des Autors zugelegt.
Ich bin gut im Buch gelandet. Unser Protagonist Toru ist ein Mann, der seinen
Job in einer Anwaltskanzlei aufgibt, um einen Neuanfang zu starten und da ich
mir persönlich nichts Langweiligeres vorstellen kann, als in einer Anwaltskanzlei
zu arbeiten, habe ich mich schnell mit Toru angefreundet. Bei ihm merkt man
allerdings schnell, dass er ein relativ passiver Mensch ist, der Vieles einfach
hinnimmt, ohne zu hinterfragen. Diese Tatsache hat mich manchmal überrascht und
verwirrt. Nichtsdestotrotz ist Toru mir bis zum Ende sympathisch geblieben, vor
allem auch, weil er ein sehr gütiger Mensch ist, der die Fähigkeit zu verzeihen
besitzt.
Die Handlung ist am Anfang zwar wenig spektakulär, dennoch
konnte sie mich fesseln. Schon zu Beginn passieren nämlich richtig schräge
Dinge, die mich neugierig auf den weiteren Verlauf gemacht haben. Diese
Eigenartigkeiten nehmen aber kein Ende, nein. Ganz im Gegenteil: ein
Fragezeichen nach dem anderen tut sich auf. Sogar so viele, dass es mir bis zu
einem gewissen Punkt zu viel wurde und ich nur mehr verständnislos vor mich hin
gelesen habe. Irgendwann fragt man sich dann auch: Was ist Wirklichkeit? Was
ist Fantasie? Sind einige Geschehnisse übersinnlicher Natur oder ist doch alles
nur Traum? Wie darf man das Ganze verstehen?
Die Mehrzahl der Leute verwirft alles, was die Grenzen des eigenen Fassungsvermögens sprengt, als absurd und des Nachdenkens nicht wert.
(S. 267)
Livia (meine Mitleserin) und ich haben gerätselt und
spekuliert, aber so recht haben wir die Handlung nicht durchschaut, hatte ich
das Gefühl. Erst zum Ende hin überkamen mich einige Aha-Momente, und dann wurde
mir auch so einiges klar. Aber ob die Erkenntnisse, die ich in meinen
Aha-Momenten hatte, tatsächlich das sind, was Murakami uns zu verstehen geben
wollte, dessen bin ich mir aber leider auch nicht ganz sicher. Ich denke
jedenfalls, dass ich die Story zum Schluss im Großen und Ganzen verstanden habe.
Allerdings kann mir diese Frage wahrscheinlich trotzdem nur der Autor sicher
beantworten.
Die Figuren in Mister Aufziehvogel sind allesamt mit Ecken
und Kanten versehen. So haben wir hier zum Beispiel die Schwestern Malta und Kreta
Kano. Die eine hat eine Vorliebe für rote Vinylhüte und versucht anderen
Menschen durch ihre hellseherischen Fähigkeiten zu helfen. Die andere ist ihre
Assistentin und hat die merkwürdige Angewohnheit unbemerkt aufzutauchen und zu
verschwinden, nachdem oder bevor sie aus ihrem mehr als verkorksten Leben
berichtet. Dann gibt es da noch Torus Frau Kumiko, die irgendwie bis zum
Schluss eine der undurchsichtigsten Charktere bleibt, nicht zuletzt,
weil sie sich recht bald schon aus Torus Leben vertschüsst und sehr lange ein
großes Geheimnis um ihre wahren Gründe dafür macht. Außerdem spielt auch
Kumikos höchst unsympathischer Bruder Noboru Wataya eine tragende Rolle in der
Geschichte. Er taucht zwar nicht oft persönlich während der Handlung auf, aber
dennoch ist von ihm und seinem abartigen und unerträglichen Wesen häufig die
Rede. Und nicht zu vergessen: ein Kater, der verschwindet und mit einem anders
geformten Schweif wieder auftaucht.
Ihr merkt, von den Figuren her kommt hier ganz sicher keine
Langeweile auf. Diese und einige andere Nebencharaktere bieten auf alle Fälle Unterhaltung
der besonderen Art. ;)
In wirklich tiefer Finsternis waren die seltsamsten Dinge möglich.
(S. 297)
Aufgepeppt wurde das Ganze noch durch Erzählungen aus der
Vergangenheit verschiedener Bekanntschaften Torus. Beispielsweise gab es lange
Episoden über den Krieg, in denen die eine oder andere blutige und gewaltvolle
Szene beschrieben wurde. Oder es wurde die damalige politische Situation
erläutert – die ich allerdings wenig spannend fand und bei der ich dabei
deswegen nicht so aufmerksam gelesen habe. Toru als guter Zuhörer hat sich das
alles natürlich geduldig angehört und darüber nachgedacht. Da doch einige dieser
Erzählungen in dem Buch vorgekommen sind, habe ich mich selbstverständlich
gefragt, inwiefern diese mit der gegenwärtigen Handlung zu tun haben könnten.
Leider hat sich mir bis zuletzt deren Bedeutsamkeit leider nicht (bei allen
Rückblicken) erschlossen.
Allgemein betrachtet, hat mir das Buch sehr gut gefallen. Ja, ein paar Fragen blieben zwar offen, aber es gab auch genug, die mir schlussendlich beantwortet wurden und mich das Buch relativ zufrieden haben zuklappen lassen. Mein Freund sagt immer wieder, dass er offene Enden mag, da diese so viel Spielraum für eigene Gedanken lassen. Ich mag das allerdings nicht so gerne, da ich fixe Tatsachen – völlig egal, ob sie nun gut oder schlecht sind – sehr schätze.
Persönliche Bewertung
Weitere Buchzitate
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~ Die Zeit entzieht in der Regel den meisten Dingen ihr Gift und macht sie harmlos. ~
(S. 103)
~ Es ist unmöglich, sich einen Begriff von echtem Schmerz zu machen, solange man ihn nicht selbst erlebt hat. ~
(S. 121)
~ Am besten über die Wirklichkeit nachdenken, hatte ich mir überlegt, ließe sich, wenn man
sich so weit wie möglich von ihr zurückzog - an einen Ort wie den Grund eines Brunnens etwa.
»Wenn du absteigen sollst, such dir den tiefsten Brunnen und geh hinunter auf den Grund.« ~
~ Am besten über die Wirklichkeit nachdenken, hatte ich mir überlegt, ließe sich, wenn man
sich so weit wie möglich von ihr zurückzog - an einen Ort wie den Grund eines Brunnens etwa.
»Wenn du absteigen sollst, such dir den tiefsten Brunnen und geh hinunter auf den Grund.« ~
(S. 297)
Der Autor
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© Stefan Worring |
Haruki Murakami, 1949 in Kioto geboren, lebte längere Zeit in den USA und
Europa und ist gefeierter und mit den höchsten japanischen Literaturpreisen
ausgezeichneter Autor zahlreicher Romane und Erzählungsbände. Außerdem hat er
Werke von John Irving, Truman Capote und Raymond Chandler ins Japanische
übersetzt.
-) Der Autor auf Facebook.
-) Der Autor auf Twitter.
Weitere Rezensionen zu vorgestelltem Buch
· · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·
-) Awogfli - Bookcroc (3 ***)
(Ein paar) weitere Bücher des Autors
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Liebe Janine,
AntwortenLöscheneine schöne Beschprechung hast du geschrieben. Allerdings fand ich das Buch richtig heftig. Viele seiner Bücher sind echt heftig, dass ich mittleriweile zu jedem MurakamileserIn sagen muss, es erfordert MUt, seine Bücher zu lesen. Sie sind lesenswert, aber man darf nicht zu zartbesaitet sein. Neben "Mister Aufziehvogel" war "Kafka am Strand" der absolute Höhepunkt. Nichts für schwache Nerven. Ich habe demnaächst vor, den neusten Murakami zu lesen. "Die Ermordung des Commendatore".
Alles Liebe, Mira
Danke dir, liebe Mirella!
LöschenDu hast recht: einige Szenen sind tatsächlich sehr grausam und voller Gewalt ... Zart Besaitete sollten den Roman vielleicht nicht unbedingt lesen.
"Kafka am Strand" ist auch kürzlich bei mir eingezogen und werde ich hoffentlich ebenfalls mit Livia gemeinsam lesen. Ich freue mich schon sehr drauf, wenn du schreibst, dass es ein Highlight für dich war. :) Aber wahrscheinlich meintest du eher ein Höhepunkt, was die gewaltvollen Szenen betrifft?
Viel Freude mit deinem nächsten Murakami!
Alles Liebe,
Janine
Liebe Janine
AntwortenLöschenIch kann mich Mira wirklich nur anschliessen, die Rezension ist dir sehr gut gelungen.
Wenn auch ich schon Bücher gelesen habe, die wesentlich stärkere Nerven erfordert haben. Aber einen Murakami (vor allem von diesem Umfang, kürzere Bücher sind ja oft ein wenig kompakter), kann man wohl nicht einfach inhalieren. Ich brauche für ein solche Buch Zeit und Raum zum Nachdenken. Das muss man sich wohl als Leser bewusst sein.
Hach...auf "Kafka am Strand" freue ich mich schon so sehr :-)
Alles Liebe dir
Livia
Danke Livia! Diese Worte aus deinem Mund bedeuten mir sehr viel. :)
LöschenIch kann mich gerade an kein Buch erinnern, welches derart gewaltvolle Szenen beschrieben hätte. Aber um ehrlich zu sein, hat es mir nichts ausgemacht, das zu lesen. Ja, ein paar Mal musste ich schon schlucken, aber manchmal bin ich einfach hart im Nehmen/robust. ;)
Ich finde auch, dass es gut war, dass wir relativ lang dran gelesen haben, so blieb genug Raum für Gedanken und fürs Sackenlassen.
Ich freue mich auch sehr auf "Kafka am Strand".
Alles Liebe dir ♥,
Janine