Seiten: 190
Verlag: Aufbau Taschenbuch
Ersterscheinung: 15. August 2016
ISBN: 9783746633336
Mein Lesezeitraum: 9. Okt. - 6. Nov. 2018 (= 30 Tage)
Die Buchbeschreibung
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»Bevor meine
Frau zur Vegetarierin wurde, hielt ich sie für nichts Besonderes. Bei unserer
ersten Begegnung fand ich sie nicht einmal attraktiv. Mittelgroß, ein
Topfschnitt, irgendwo zwischen kurz und lang, gelbliche unreine Haut,
Schlupflider und dominante Wangenknochen. So fühlte ich mich weder von ihr
angezogen noch abgestoßen und sah daher keinen Grund, sie nicht zu heiraten.«
Yeong-Hye und ihr Ehemann sind ganz gewöhnliche Leute. Er geht beflissen seinem Bürojob nach und hegt keinerlei Ambitionen. Sie ist eine zwar leidenschaftslose, aber pflichtbewusste Hausfrau. Die angenehme Eintönigkeit ihrer Ehe wird jäh gefährdet, als Yeong-Hye beschließt, sich fortan ausschließlich vegetarisch zu ernähren und alle tierischen Produkte aus dem Haushalt entfernt. »Ich hatte einen Traum«, so ihre einzige Erklärung. Ein kleiner Akt der Unabhängigkeit, aber ein fataler, denn in einem Land wie Südkorea, in dem strenge soziale Normen herrschen, gilt der Vegetarismus als subversiv. Doch damit nicht genug. Bald nimmt Yeong-Hyes passive Rebellion immer groteskere Ausmaße an. Sie, die niemals gerne einen BH getragen hat, fängt an, sich in der Öffentlichkeit zu entblößen und von einem Leben als Pflanze zu träumen. Bis sich ihre gesamte Familie gegen sie wendet.
Der Erste Satz
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Bevor meine Frau zur
Vegetarierin wurde, hielt ich sie in jeder Hinsicht für völlig unscheinbar.
Meine Meinung
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Eine Frau irgendwo im Nirgendwo
Wenn ich den Inhalt
lediglich mit einem Wort beschreiben müsste, dann definitiv mit verstörend.
Wie man aus der Buchbeschreibung ja bereits herauslesen kann, geht es hierin um
die Protagonistin Yeong-hye, die aufgrund eines Traumes urplötzlich aufhört, Fleisch
zu essen und darüber hinaus auch kein weiteres tierisches Produkt mehr anrührt.
An und für sich ist dieser Umstand jetzt erst mal nicht beunruhigend, aber
Yeong-hye wirkt auf den Leser von Anfang an schon irgendwie eigenartig, wenig
fassbar oder durchschaubar und sehr zurückhaltend/passiv. Klar, eine gewisse
Unscheinbarkeit haftet ihr auch an, aber diese stand für mich nicht wirklich im
Vordergrund. Dass sich in ihrem Inneren deswegen umso mehr Essenzielles
abspielt, war mir gleich bewusst, genauso wie die Tatsache, dass genau das wohl
früher oder später aus ihr herausbrechen wird ...
Das Leben ist schon seltsam. Egal, was passiert, selbst nach einem schrecklichen Ereignis isst man, trinkt man, geht auf die Toilette, wäscht sich. Kurz, das Leben geht weiter.
(S. 175)
Geschrieben ist das Buch
NICHT aus der Sicht von Yeong-hye (ist klar, sonst hätte man die wahren Motive
für ihr Verhalten wahrscheinlich erfahren), sondern zuerst aus der Sicht ihres
Ehemannes, im nächsten Teil aus der Perspektive ihres Schwagers und im letzten
Abschnitt ist ihre Schwester die Hauptfigur. Alle beschreiben mehr oder
weniger, neben ihrem eigenen Innenleben und das, was sie beschäftigt, wie sie Yeong-hye
im Laufe der Zeit wahrgenommen und was sie alles Merkwürdiges mit ihr erlebt
haben. - Und das ist manchmal wahrlich unheimlich gewesen. Yeong-hye begann
damit, kein tierisches Produkt mehr zu essen (man erfährt aus ihrem Mund nie
wirklich, warum sie das tut) und endet damit, dass sie gar nichts mehr isst und
schlussendlich den Leuten versucht begreiflich zu machen, sie sei eine Pflanze
und brauche nichts weiter als Sonnenlicht und hin und wieder ein Schlückchen
Wasser. Die Folge davon ist, dass sie logischerweise körperlich immer mehr
verschwindet.
Für mich war es ziemlich unheimlich, mir Yeong-hye vorzustellen.
In meinem Kopf hatte ich das Bild einer völlig teilnahmslosen Frau ohne
Emotionen, die kaum noch spricht und sich in der Sonne andauernd entblößt, weil
sie denkt, sie sei ein Gewächs, das dringened Sonne benötigt. Manch einer würde
sich an dieser Stelle denken: Ein Fall für die Psychiatrie! Letztlich wurde sie
dort auch (von ihrer wenig einfühlsamen Familie) eingewiesen.
Tatsächlich blieb
Yeong-hye (mir) bis zum Schluss ein undurchschaubares, sonderbares Wesen. Ich
wusste nicht, ob sie all das alles echt glaubt und wirklich verrückt geworden
ist, oder ob ihr Umfeld sie einfach nur falsch verstanden hat (auch ich). Sie
ist im Grunde nämlich eigentlich eine arme, wenig respektierte Frau, die man
nur gebogen und verbogen hat. Vielleicht wollte sie mit ihrem ganz bewusst
gespielten, absichtlichen Verhalten genau daraus ausbrechen und endlich frei
sein? Dass sie gelitten hat, hat man gemerkt, aber sie hat sich bis zu ihrer
Entscheidung, kein Fleisch mehr zu essen, niemals jemandem widersetzt. Mit
ihren merkwürdigen Anwandlungen hat man sie, die ewig unscheinbare Frau,
endlich auch mal wahrgenommen. Yeong-hye ist unzufrieden und wird unterdrückt.
Sich selbst nicht mehr als menschliches Wesen zu sehen, unter die Pflanzen zu
gehen und so nach und nach zu verhungern, sah sie möglicherweise als
Befreiungsschlag ... Aber das sind nur meine Gedanken dazu. Was uns die Autorin
damit genau vermitteln wollte, weiß ich nicht.
Das offene Ende lässt mich
zwar etwas ratlos zurück, aber empfehlen kann ich das Buch auf alle Fälle ...
Das Kopfkino funktioniert hier nämlich einfach grandios und zusätzlich kann man
beim Lesen durchgehend miträtseln, es ist also kein Buch nur zum Abschalten,
sondern vor allem auch zum Mitdenken.
Wer es schon gelesen hat oder bald lesen wird: würde mich sehr freuen, wenn ihr mir eure Sicht der Dinge zu Yeong-hye und ihrem Verhalten in einem Kommentar mitteilt. Vielleicht verstehe ich die Botschaft von Han Kang dann besser!?
Persönliche Bewertung
Die Autorin
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© Baek Dahum |
Han Kang wurde in Gwangju, Südkorea, geboren. 1993 debütierte sie als Dichterin, ihr erster Roman erschien 1994. Für ihren Roman Die Vegetarierin gewann sie 2016 den Man Booker International Prize. Derzeit lehrt Han Kang kreatives Schreiben am Kulturinstitut Seoul.
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