Seiten: 190
Verlag: Droemer Knaur
Ersterscheinung: 2003
ISBN: 9783426510339
Format: Taschenbuch
Preis: [A] 9,30 € | [D] 8,99 €
Genre: (Kriminal)roman
Wissenswertes: Band # 11 der Tabor Süden - Reihe
Zum Buch? - Kaufen!
Reinlesen? - Leseprobe
Mein Lesezeitraum: 29. Juni - 3. Juli 2016
Die Buchrückseite
· · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·
»Sie sind gern allein.«
»Gibt es eine andere Lebensform?«, sagte er.
»Sie sind gern allein.«
»Gibt es eine andere Lebensform?«, sagte er.
Nach 31 Jahren Dienst am Schalter ist der Postbeamte Cölestin Korbinian
plötzlich verschwunden. Er sei wie immer gewesen, sagt seine völlig
verwirrte Frau. Doch wie ist einer, der wie immer ist und dann ganz
anders handelt? Entgegen allen Regeln seines Lebens? Süden stößt
schließlich auf eine Spur, die so unglaublich erscheint, dass er nicht
einmal seinen engsten Vertrauten davon zu erzählen wagt.
Der Erste Satz
· · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·
Diese Geschichte ist
wirklich passiert, und ich habe sie bis heute niemandem erzählt, nicht einmal
meinem besten Freund und Kollegen Martin Heuer und auch nicht meiner Kollegin
Sonja Feyerabend, mit der ich eine große Nähe teilte.
Meine Meinung
· · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·
Er war nicht mehr da, aber er war nicht verschwunden.
Von Anfang an macht Süden
ein Geheimnis daraus: er könne es niemandem erzählen, warum Cölestin Korbinian
tagelang unauffindbar war. Diese Geheimniskrämerei macht den Leser natürlich
erst mal sehr neugierig auf die Motive des untergetauchten Postangestellten.
Eigenartig ist auch, dass Korbinian Süden nach seinem Auftauchen gesagt hat, »er sei nicht dazu gekommen«, sich in dem einen Monat bei seiner
Frau, die ihn vermisst gemeldet hat, zu melden, dann aber auch nicht damit
gerechnet hat, dass diese die Polizei informieren könnte, und dann vor Süden
zusätzlich noch auf »alles okay und ganz normal« tut. - Eine sehr
rätselhafte Einleitung jedenfalls!
Wie ist jemand, der wie immer ist? Wann fängt das »immer« an? Mit dem ersten Kuss? Mit der Hochzeit?
Mit dem Eintritt ins Berufsleben? Mit dem dreißigsten Geburtstag? Und endet es
mit einer neuen Frisur? Mit einer heimlichen Geliebten? Mit dem Tod der
Partnerin? Mit dem eigenen Tod? Und was wäre dann am offenen Grab zu sagen? Er
lebte wie immer und starb ganz anders?
(S. 14/15)
So erzählt Süden nun also
nach und nach, wie seine Ermittlungen verlaufen sind, mit wem er gesprochen hat
und was er alles ausprobiert hat, um auf eine Spur von Cölestin zu kommen. Vor
allem erfahren wir währenddessen viel über das Wesen von Cölestin, um uns
besser in ihn hineinversetzen zu können. Wenn ich ihn kurz mit ein paar Worten
beschreiben müsste, würde das so ausfallen: Er war wie immer. - Sein bisheriges
Leben wirkte auf mich so langweilig, sein Alltag so belanglos. Ein ganz und gar
unaufgeregter Typ Mann, der alles wie immer gemacht hat. Sein plötzliches
Verschwinden wirkte wie ein Ausbrechen und war für Cölestin so abnormal, dass
es als wirklich besorgniserregend galt. Dann fand Süden Tatsachen heraus, die
man von dem Postler niemals erwartet hätte: unter anderem hat das mit zwei
Frauen zu tun, einem alten blinden Hund, den Süden sogar spontan in die
Ermittlungen miteinbezogen hat und nicht zuletzt spielt noch eine
Kunstausstellung, genauer gesagt die Gemälde von Spitzweg eine tragende Rolle
in der ganzen Geschichte.
»Der Cölestin braucht immer ewig, bis der was verändert.«
(S. 40)
Das Innenleben von Süden
und seinem besten Freund und Kollegen Martin Heuer nehmen in diesem Buch auch
wieder einen wesentlichen Raum ein. Ganz besonders Martin fällt hier auf: seine
zunehmende Veränderung ins Negative. Man merkt deutlich seine depressiven
Anwandlungen, sein verwahrlostes Aussehen, seinen schlechten körperlichen
Zustand, seinen Alkoholkonsum. Man sorgt sich um ihn - nicht nur ich, sondern
auch Süden tut das. Aber Martin ist ein harter Brocken ...
Süden und Martin sind sich
eigentlich recht ähnlich: Zwei Männer jenseits der 40, wortkarg und
ein eigensinniges Verhalten an den Tag legend. Je mehr man die beiden von Buch
zu Buch kennenlernt, wird einem klar, dass sie eigentlich voller Sehnsucht
sind. Einer Sehnsucht nach einem freien, einmaligen Leben, in dem sie nichts
tun müssen, was von ihnen erwartet wird, in dem sie leibhaftige und lebhafte
Wesen sein können, die sich nicht einfangen, einengen und am Ende töten lassen.
Irgendwann in jungen Jahren hatten sie den Zeitpunkt verpasst, sich für das »wirkliche« Leben zu entscheiden und sind Polizeibeamte geworden ... Und Süden, der kommt scheinbar besser damit klar, als sein bester Freund Martin ...
Irgendwann in jungen Jahren hatten sie den Zeitpunkt verpasst, sich für das »wirkliche« Leben zu entscheiden und sind Polizeibeamte geworden ... Und Süden, der kommt scheinbar besser damit klar, als sein bester Freund Martin ...
»Für einen Polizisten sind Sie auf jeden Fall reichlich normal.«
»Ich bin nicht normal«, sagte ich. »Fragen Sie meinen Vorgesetzten.«
»Ich bin nicht normal«, sagte ich. »Fragen Sie meinen Vorgesetzten.«
(S. 147)
Ani schreibt seine
Geschichten immer recht melancholisch und trüb. Süden ist Einzelgänger, ein
Beobachter, jemand, der nicht wertet und lieber zu verstehen versucht. In
gewisser Weise hat er auch Ähnlichkeit mit dem verschwundenen Cölestin, der
ebenso sehr von einem Alleinsein erfasst ist, wie unser einfühlsamer
Vermisstenfahnder.
Besonders spektakulär ist
und endet dieser Fall zwar nicht, aber er erzählt eine teilweise sehr schöne
poetische Geschichte von Stille, Einsamkeit und Anderssein, die es für
aufmerksame Leser herauszulesen gilt.
Ich mochte das Ende sehr gerne. Auch wenn man nicht mehr explizit erfährt, warum Süden über das Verschwinden Cölestins nichts verraten kann, wusste ich dennoch irgendwie, warum: möglicherweise, weil es niemand nachvollziehen hätte können, warum Cölestin in seinem Winkel der Einsamkeit glücklich ist.
Ich mochte das Ende sehr gerne. Auch wenn man nicht mehr explizit erfährt, warum Süden über das Verschwinden Cölestins nichts verraten kann, wusste ich dennoch irgendwie, warum: möglicherweise, weil es niemand nachvollziehen hätte können, warum Cölestin in seinem Winkel der Einsamkeit glücklich ist.
»Ich hatt den Eindruck, Cölestin wollt mit jemand reden, er hat gesagt, er geht jede Woche in die Spitzwegausstellung, und das wär für ihn wie nach Hause kommen. «
(S. 151)
Persönliche Bewertung
Weitere Buchzitate
· · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·
~ Fürs Alleinsein, sagte er damals, müsse man sich nicht schämen. ~
(S. 46)
(S. 46)
~ »Ist das hier ein Verhör?«
»Bei uns gibt es keine Verhöre.«
»Bei uns gibt es keine Verhöre.«
»Was denn dann? Talkshows?«
»Vernehmungen«, sagte ich. ~
(S. 63)
»Vernehmungen«, sagte ich. ~
(S. 63)
~ In dieser Nacht, der letzten, die Martin Heuer in meiner Wohnung verbrachte, begriff ich,
dass die dauernde Gegenwart eines Menschen im Kreis anderer kein Beweis für seine wahre
Existenz sein muss, sie ist vielleicht nur ein Akt von notdürftig erweitertem Alleinsein. ~
(S. 155)
~ »Manche Dinge sieht man einfach nicht«, sagte Korbinian, »auch wenn man direkt davorsteht.« ~
(S. 177)
Der Autor
Friedrich Ani, geboren 1959, lebt in München. Er schreibt
Romane, Gedichte, Jugendbücher, Hörspiele und Drehbücher. Sein Werk
wurde mehrfach übersetzt und vielfach prämiert, u.a. mit dem Deutschen Krimipreis, dem Adolf-Grimme-Preis und dem Bayerischen Fernsehpreis. Seine Romane um den Vermisstenfahnder Tabor Süden machten ihn zu einem der bekanntesten deutschsprachigen Kriminalschriftsteller. Friedrich Ani ist Mitglied des Internationalen PEN-Clubs.
Ein kurzes Interview mit Friedrich Ani könnt ihr hier nachlesen.
Ein kurzes Interview mit Friedrich Ani könnt ihr hier nachlesen.
Hier geht's zur Webseite des Autors.
Hier geht's zum Facebook-Profil des Autors.
Hier geht's zum Twitter-Profil des Autors.
Weitere Bücher des Autors
· · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·
1998 |
2000 |
2001 |
2001 |
... und weitere!
Hallo liebe Janine
AntwortenLöschenDas Cover des Buches hätte mich jetzt auf den ersten Blick nicht angesprochen. Der Titel allerdings liess mich deine Rezension lesen und ich muss sagen, dass ich total begeistert bin. Das Buch scheint genau zu mir zu passen und ich habe es direkt auf meine Wunschliste gesetzt.
Vielen Dank für den Tipp!
Einen schönen Abend dir
Livia
Hallo Livia,
Löschenich finde ja die Cover von der Süden-Reihe beinahe alle echt sehenswert. ;)
Also, "Süden und der glückliche Winkel" ist schon der 11. Band der Süden-Reihe, man kann die Bücher aber auch einzeln lesen, das ist nicht so das Problem. Die Fälle sind immer in sich abgeschlossen und sich auch immer recht ähnlich, da es jedes Mal um eine verschwundene Person geht, die Süden ausfindig machen muss/will. Schade ist nur, dass, wenn man nicht der Reihe nach liest, man das Private von Süden und Martin nicht kennt oder verfolgen kann, aber wem das nicht so wichtig ist, kann auch mit einem Band mittendrin starten.
Ani hat halt einen sehr eigenen Stil mit Erkennungswert - er schreibt immer etwas poetisch und immer schwermütig, das muss man schon mögen, ansonsten schlägt das auf Gemüt. ;)
Alles Liebe! ♥
Hallo Janine,
AntwortenLöscheneine sehr schöne Rezension, die richtig Lust macht auf die Reihe :) Ich kannte diese bis vor kurzem überhaupt nicht und habe den Autor zufällig bei der Leipziger Buchmesse entdeckt, bei einer Präsentation des neuesten Bandes. Der Charakter "Süden" faszinierte mich irgendwie und nun durfte der erste Band vor einigen Wochen bei mir einziehen.
Liebe Grüße
Diana
Danke Diana! Ja, Tabor Süden ist eine wirklich faszinierende Buchfigur mit Wiedererkennungswert. Anis Bücher sind recht eigen, ich bin gespannt, ob dir sein Stil gefallen wird. Ich wünsche dir jedenfalls schon mal viel Spaß mit »Die Erfindung des Abschieds«, wann auch immer du es lesen wirst. ;)
LöschenAlles Liebe ♥